Die grifflose Küche: Varianten, Trends, Vorteile und Nachteile
Kennen Sie das? Sie sind in einer fremden Küche zu Gast und lehnen sich entspannt an – und plötzlich öffnet sich wie von Geisterhand ein Auszug im Unterschrank, der sich auch nur gegen Widerstand wieder zudrücken lässt. Das passiert bei grifflosen Küchen gar nicht so selten: Der „push to open“-Mechanismus bewirkt, dass sich Schubladen und Auszüge leichtgängig per Fingertippen öffnen lassen. Leider unterscheidet das Möbelstück aber nicht zwischen Hüfte und Fingerknöchel. Für einige Käuferinnen und Käufer sind die dadurch häufig aufspringenden Fronttüren ein No-Go im Küchenraum, obschon sich die grifflose Küche nach wie vor großer Beliebtheit erfreut. Wir verraten Ihnen, welche Unterschiede es bei grifflosen Küchen gibt, welche neuen Trends sich für die Zukunft angekündigt haben – und wie Sie das Problem der selbständig öffnenden Türen lösen können.
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Die grifflose Küche früher und heute: Im Zentrum angekommen
Die Küche als Mittelpunkt des Zusammenlebens, in der gekocht, gearbeitet und viel Zeit verbracht wird: Das hatte in früheren Jahrzehnten allenfalls eine funktionale Bedeutung. Entsprechend „weggesperrt“ wurden Küchenräume in den Anfangsjahren der heutigen Einbauküche. Die praktische Ausnutzung von Stauraum und die zweckmäßige Anordnung von Geräten und Möbelstücken stand im Fokus einer Planung. Schmutziges Geschirr, Kochdunst und Gerüche, klebrige oder feuchte Garvorgänge? Fanden hinter verschlossenen Türen statt – mit etwas Glück auch nahe eines Fensters, mit dem der Raum gelüftet werden konnte.
Die Unterschiede zur heutigen Küchennutzung sind klar: Mittlerweile werden moderne Küchen bewusst in den offenen Grundriss – und damit mitten ins Geschehen – eingebunden. Sie dienen als multifunktionaler Lebensraum und spiegeln auch ästhetisch den Stil der Wohnung wider. Das hat zur Folge, dass das Küchendesign eine immer größere Rolle spielt. Neben einer bewussten Farb- und Materialwahl wird die Küche nunmehr auch optisch ausstaffiert. Gekonnt inszenierte Accessoires, indirekte Beleuchtung und, Sie ahnen es, grifflose Fronten erzeugen eine zeitlos schöne Stilistik, mit der die Küche eine ganz eigene Persönlichkeit widerspiegelt.
Vier Arten von grifflosen Küchen
Eine grifflose Küche besteht aus Schränken, deren Fronten keine Griffe, Beschläge oder Knöpfe zum Aufziehen der Türen und Schubladen aufweisen. Der glatte Look verleiht der Küche eine einheitliche und unauffällige Ausstrahlung, die in farblicher Harmonie mit den angrenzenden Räumen gestaltet werden kann. Man unterscheidet vier Arten von grifflosen Küchen, die jeweils ihre Vor- und Nachteile mit sich bringen.
1. Die mechanische Öffnung: Tip-On oder Push-to-open
Als „tip-on“ (dt.: „antippen“) oder „push-to-open“ (dt.: „öffnen durch drücken“) wird der mechanische Auszug bezeichnet, der einen im Scharnier befestigten Bolzen auslöst und damit die Tür oder Klappe leicht öffnet – ähnlich einer gefederten Vorrichtung, die aus einer Arretierung hervorspringt. Alternativ arbeiten sogenannte „Druckschnapper“ auch mit Magneten, die auf einer metallenen Schraubplatte entlang der Schublade befestigt sind und mit aus- sowie einfahren. Ein gegenteiliges Eindrücken bewirkt, dass der Auszug wieder einrastet. „Tip-on“ und „push-to-open“ werden als Synonym für diesen Mechanismus in der grifflosen Küche verwendet.
Vorteile: günstiges System, schnelle Öffnung
Nachteile: unabsichtliche Öffnung
Lösung: Feder stärker anziehen, sodass der Druck auf das Möbelstück erhöht werden muss zum Öffnen – dann vermeidet man lästiges Aufspringen beim Dagegenlehnen
2. Die elektrische Öffnung: „Servo-Drive“
Eine edle Alternative zur mechanischen Öffnung von Küchenfronten ist der elektrische Auslöser. Dieser wird von Zuliefererfirmen wie Blum („Servo-Drive“), Grass („Sensomatic“) und Hettich („Easys“) angeboten und vom Küchenstudio in die Planung einbezogen.
Hierbei werden auch Vorkehrungen zur Stromversorgung getroffen. Die elektrischen Antriebseinheiten für alle Auszüge und Schränke werden in der Regel an der Rückwand des Unterschranks vormontiert und über einen zentralen Schalter zusammengeschaltet. Bei Bedarf kann der elektrische Öffnungsantrieb auf Tastendruck darüber abgeschaltet werden, beispielsweise, wenn die Küchenfronten geputzt werden müssen. Aber Achtung: Sind die Küchenfronten komplett grifflos designt – das heißt, ohne zusätzliche Griffmulde – bleibt damit auch der Zugriff auf die Schubladen verwehrt.
Eine elektrisch betriebene Schubladenöffnung muss mit Schwung zurück in ihre Ausgangsposition gebracht werden und zieht den Auszug dann automatisch mit ein. Ein mechanisches Zudrücken der Türen sollte vermieden werden, um Beschädigungen am System zu vermeiden
Vorteile: kaum Kraftaufwand, weniger ungewollte Öffnungen als bei mechanischer Lösung, edle Optik
Nachteile: langsame Öffnung, teuer, komplizierte Reparatur
3. Die Griffleiste: Unauffällig und praktisch
Nach dem ersten Hype um die grifflose Küche, die oftmals durch mechanische Tip-On-Lösungen realisiert wurde, setzt sich nun mehr und mehr die sogenannte „Griffleiste“ durch: Das kann eine Griffkehle oder auch „Griffspur“ sein, die sich unterhalb der Arbeitsplatte absetzt und den unsichtbaren Zugang zur Schublade ermöglicht. Die Küchenfront ist also nur indirekt „grifflos“. Häufig wird eine Griffleiste durch abgeschrägte Kanten realisiert, die den Eingriff erleichtern.
Auf der zweiten oder dritten Schubladen-Ebene des Unterschranks – so sie denn vorhanden sind – kommt oftmals wiederum ein mechanisches oder elektrisches Öffnungsverfahren zum Einsatz, um ein geschlossenes Fugenbild der Küche zu ermöglichen. Das stört auch selten: Die Gefahr, diese Türen versehentlich zu öffnen, ist im Kniebereich ungleich geringer als entlang der Hüfte.
Viele Küchen nutzen aber auch auf dieser Ebene die eingefräste Griffleiste, die um Kücheninsel oder Zeile einmal rundum verläuft. Optisch wird die Griffleiste, auch Einschubleiste, häufig in der Farbe der Küchenfront gewählt, um die grifflose Optik aufrechtzuhalten. Einige Planerinnen und Planer nutzen die farbliche Absetzung dieser Leiste aber ebenso, um ein markantes Küchendesign zu kreieren.
Vorteile: unauffällig, schneller Zugriff mit Struktur
Nachteile: kein geschlossenes Fugenbild, Staub- und Schmutzfänger
4. Die Griffmulde (eingefräst): Mehr Platz im Innenschrank
Als Abwandlung zur Griffleiste existieren Griffmulden oder auch Griffschalen, die in das Frontmaterial der Schranktür eingefräst sind. Sie erzeugen eine ähnlich schlanke, grifflose Optik wie die am Küchenkorpus angebrachten Griffleisten. Durch die Anbringung am Auszug selbst fährt die Griffmulde beim Öffnen der Schublade mit aus.
Die Methode ist clever, denn: Durch die Befestigung der Griffmulde am Auszug bleibt mehr Platz im Inneren der Schublade erhalten. Tiefe und Breite können so voll ausgenutzt werden – nur in der Höhe büßt man wenige Zentimeter durch dieses System ein.
Wie auch die Griffleiste muss die Griffmulde regelmäßig gereinigt werden. In den Rillen und Einkerbungen können sich neben Schmutz und Staub sonst Bakterien ablagern, die nicht mit Lebensmitteln in Berührung kommen sollten.
Vorteile: platzsparender Zugriff, schlankes Design
Nachteile: Griffmulde muss gut geputzt werden
Trends für grifflose Küchen
Die Systematik der grifflosen Küche ist natürlich nicht neu. Dennoch wird das Konzept von Herstellern und Zulieferern kontinuierlich weiterentwickelt. Dabei kommen auch die Bedürfnisse von Planerinnen und Kunden zum Zug.
Trend 1: Lichtintegration
Es werde Licht! Immer mehr Hersteller verknüpfen die geschmackvolle Ausleuchtung ihrer Möbelstücke mit LED-Bändern und LED-Spots. Zum einen werden Kücheninsel, Sideboards oder grifflose Hängeschränke so „ins rechte Licht gerückt“. Zum anderen lässt sich in der Küche damit eine gemütliche Atmosphäre erzeugen, die auch nach Beendigung von Kochvorgängen oder Mahlzeiten noch Wirkung zeigt. Mussten Kundinnen und Kunden früher oftmals einen separaten Lichtplaner zu Rate ziehen, bieten nun immer mehr Küchenstudios ihre Expertise aus einer Hand an.
Gern genutzt wird beispielsweise ein LED-Band, das unterhalb der Arbeitsplatte verläuft und auf die Griffleiste abstrahlt. Ist diese in Messing oder Edelstahl gehalten, wird das Licht reflektiert und erzeugt ein magisches Schimmern. Eine LED-Unterbodenbeleuchtung wiederum, die entlang des Inselsockels angebracht ist, lässt eine grifflose Küche geradezu magisch „schweben“.
Trend 2: Grifflose Geräte
Einheitlichkeit wird durch Geradlinigkeit erzeugt – auch und vor allem in der grifflosen Küche. Hierzu tragen immer mehr Einbaugeräte bei. Lange Zeit galt das flächenbündige Verbauen von Backofen oder Kochfeldern als Nonplusultra in einer „cleanen“ Küchenumgebung. Nun folgt ein weiterer Schritt: Auch von dort verschwinden Knöpfe und Griffe nämlich zunehmend.
Induktionskochfelder werden mit Touchslidern und Lichtsymbolen bedient und verbergen ihre funktionale Seite im ausgeschalteten Zustand hinter einer tiefschwarzen, undurchsichtigen Glaskeramik. Backöfen erhalten unauffällig eingefräste Drehscheiben zum Navigieren, die an Stelle der früheren Bedienknebel treten. Hierfür haben beispielsweise Bosch („Serie 8“, facettierter Bedienring) und V-ZUG („Excellence Line“, CircleSlider) hochwertige Backöfen auf den Markt gebracht. Siemens wiederum setzt auf einen nahezu unsichtbaren Backofengriff aus Schwarzglas, der das Gerät von weitem optisch ebenfalls grifflos erscheinen lässt.
Kühlschrank und Geschirrspüler werden dagegen seit jeher oftmals vollintegriert geplant. Sie verschwinden hinter Küchenfronten, die selbst bei großen und schweren Modellen mit griffloser Systematik geplant werden können – dann allerdings nur mit elektrischer Unterstützung. Ein außergewöhnliches Exempel statuiert der (ebenfalls vollintegrierte) iQ700 Kühlschrank von Siemens: Dieser lässt sich per Sprachbefehl steuern.
Künftig können so möglicherweise auch für Küchenfronten ganz neue Mittel und Wege angedacht werden, die ein Tippen – ob absichtlich oder nicht – zum Öffnen der Schublade weit hinter sich lassen. „Topfschublade, öffne dich“? Wir werden es erleben.
Trend 3: Unterflur-System
Eine zunehmend innenarchitektonische Betrachtung der Küche hat dazu geführt, dass das „Unterflur-System“ wieder verstärkt gefragt ist. So wird die Anbringung der (grifflosen) Schublade bezeichnet, die verschiedenfach montiert werden kann – unter anderem mit einem Teleskopauszug, einem Rollenauszug oder eben einem Unterflur-Auszug. Mehr zu den einzelnen Auszugsarten erfahren Sie hier.
Der Unterflur-Auszug basiert auf zwei mechanisch synchronisierten Führungsschienen, die unterhalb des Auszugs in Flachbauweise befestigt sind. Sie lassen sich durch ein Antippen auslösen und befördern die Schublade auf abriebfesten, leichtgängigen Kunststoffrollen nach außen.
Die Methode sorgt dafür, dass Scharniere weder bei geöffneter noch bei geschlossener Schublade sichtbar sind. Zusätzlich kann die volle Breite des Küchenschranks genutzt werden. Einzig in der Schubladenhöhe müssen Abstriche gemacht werden. Das Unterflur-System trägt zu einer besonders schönen und nahtlosen Gestaltung der grifflosen Küche bei.
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Achtung: Grifflose Küche – darauf sollten Sie achten
Probieren Sie zunächst im Küchenstudio aus, welche Art der Türöffnung Ihnen im Kochalltag am meisten zusagt. Wer gerne und viel kocht und dabei häufig schnellen Zugriff auf seine Schubladen benötigt, dürfte mit einer Griffleiste oder -mulde am besten bedient sein. Wer wiederum auf ein makelloses Design setzt und mit seiner Küche eine anspruchsvolle Ästhetik anstrebt, veredelt seine Planung mit einer elektrischen Servo-Öffnung.
In jedem Fall sollte bei einer grifflosen Küche die Wahl des Frontmaterials durchdacht werden. Zwar lassen sich grifflose Küchen leichter reinigen als Küchen mit Griffen oder Knöpfen – aber: Sie zeigen es auch deutlicher. Durch das beständige Antippen mit feuchten, fettigen oder gar schmutzigen Fingern sollten grifflose Küchen häufiger nachgeputzt und getrocknet werden.
Matte Fronten sind hierbei besonders empfindlich und zeigen Fingerabdrücke entlang der „Tippstelle“ deutlich an. Es lohnt sich, in Anti-Fingerprint-Beschichtungen zu investieren, wie sie beispielsweise der Schichtstoff „FENIX“ bietet. Damit sind Abdrücke kaum sichtbar und lassen sich mit etwas lauwarmem Wasser und einem mikrofaserfreien (!) Tuch schnell entfernen. Auch „PerfectSense“ von egger bietet diese fingerabdrucksfreie Oberfläche an.
Vorteile der grifflosen Küche: schlank, pflegeleicht, wenig Anstoßgefahr
Nicht allein die schlanke, einheitliche Optik der grifflosen Küche trägt zu ihrer andauernden Beliebtheit bei. Das Planungselement ist auch in kleinen Küchen von Vorteil: Entfallen herausragende Griffe, wird die Gefahr, sich anzustoßen, minimiert – und es lässt sich besser mit mehreren Leuten in der Küche hantieren.
Die schnelle Reinigung erstreckt sich zudem auch auf die Arbeitsoberfläche der Küche. Krümel und Brösel können bei einer grifflosen Küche leichter an den Rand der Platte gekehrt und zusammengetragen werden.
Zu guter Letzt bietet sich eine grifflose Küche bei Lösungen an, die einen integrierten Küchentresen entlang der Kochinsel vorsehen: Wer hier nicht extra Beinfreiheit einplant, wird sich über eine glatte und grifflose Front freuen, an der ein Barhocker zur schnellen Sitzplatzwahl dient.
Fazit zur grifflosen Küche: Schicke Optik für moderne Küchen
Die grifflose Küche ist aus der modernen Raumplanung nicht wegzudenken. Sie bietet vielfältige Gestaltungsansätze, die sich vom offenen Koch- und Wohnbereich bis zur versteckten Küche mit zugeschobenen Falttüren erstreckt. Das zurückhaltende, puristische Design ohne Griffe und Knöpfe wird übrigens mittlerweile auch im modernen Landhausstil eingesetzt: So kommen die filigran gefrästen Rahmenfronten noch besser zur Geltung.
Wenn Sie sich also mal wieder über Schubladen und Auszüge ärgern, die sich durch eine bloße Berührung unfreiwillig öffnen, bedenken Sie auch die unzähligen Vorteile, die eine grifflose Küche Ihnen bietet. Als Gast sollten Sie sich – wortwörtlich – zurücklehnen: Finger weg von Oberflächen, hinter denen sich eine unbekannte Mechanik verbirgt. Oder aber Sie nutzen die Gunst der Stunde und beteiligen sich gleich am Tischdecken: Die Schublade mit den Tellern und Töpfen haben Sie ja dann bereits gefunden.
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Massiv, furniert, lackiert oder doch lieber beschichtet? – Küchenfronten im Überblick [caption id="attachment_7366" align="aligncenter" width="900"] Die Fronten bestimmen die Optik… weiterlesen