Nicht-brennbare Dämmstoffe: Wärmeschutz trifft Brandschutz
Es waren schockierende Bilder: Der Brand des Grenfell-Towers in London im Jahr 2017 oder der Brand eines Wohnkomplexes in Essen Anfang 2022 gingen durch alle Medien. Dass sich das Feuer jeweils auf das gesamte Gebäude ausbreiten konnte, lag mit an den verbauten Dämmmaterialien, die Feuer fingen. Damit rückte eines ins Bewusstsein: Erdölbasierte Dämmstoffe wie EPS – umgangssprachlich Styropor – können brennen. Natürliche Materialien wie Zellulose, Stroh oder Schafwolle können es ohnehin. Es gibt mit mineralischen Dämmstoffen wie Glas- und Steinwolle allerdings auch nicht-brennbare Alternativen.
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Für den mehrgeschossigen Wohnungsbau wurde vor allem aus der Grenfell-Tragödie gelernt. Strengere Vorgaben regeln, dass Brandriegel in die Fassade eingebaut werden müssen. Sie sollen die Ausbreitung einer Brandes über die Dämmung verhindern. Für kleinere Bauwerke gibt es diese Regeln nicht. Denn grundsätzlich ist es normal, dass bei Häusern auch brennbare Materialien zum Einsatz kommen: Denkt man beispielsweise an eine Vorhangfassade aus Holz, ist das ganz unabhängig vom Dämmstoff der Fall. Wer in puncto Brandschutz allerdings auf Nummer sicher gehen möchte, kann bei der Wahl des Dämmstoffs auf ein nicht-brennbares Material setzen.
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Die Klassifizierung von Baustoffen
Ein Dämmstoff ist zunächst ein Baustoff. Die Eigenschaften von Baustoffen werden durch normative Vorgaben klassifiziert. Gültig ist die europäische Norm DIN EN 13501-1, die 2010 eingeführt wurde und die Vorgaben der EU-Staaten harmonisiert. Sie ersetzt auf nationaler Ebene in Deutschland zunehmend die deutsche Norm DIN 4102-1. Baustoffe, die neu auf den Markt kommen, müssen nach der EU-Norm klassifiziert werden.
Mit Blick auf das Brandverhalten unterscheidet die Norm Baustoffklassen von A bis F, von „nicht-entflammbar“ bis „leicht entflammbar“. Die Klasse A ist noch einmal in zwei Stufen unterteilt, je nachdem ob die Materialien kleine Mengen an „brennbaren Materialien“ enthalten. Baustoffe der Klassen A1 und A2 haben allerdings im Brandfall keinen Beitrag zum Brand. Nicht-brennbare Dämmstoffe sind demnach den Klassen A1 und A2 zuzuordnen.
Neben dem Brandverhalten macht die DIN EN 13501-1 zudem Angaben zur Rauchentwicklung und zum Abtropfen von brennendem Material:
- Rauchentwicklung: Unterschieden werden 3 Klassen von „geringer“/“keiner Rauchentwicklung“ bis zu „hoher Rauchentwicklung“ (s1-s3)
- Abtropfen: Unterschieden werden drei Klassen von „kein Abtropfen“ bis „starkes Abtropfen“: d0 bis d2)
Allgemeine Entflammbarkeit von Dämmstoffen
Die verschiedenen am Markt verfügbaren Dämmstoffe lassen sich grob in drei Kategorien einteilen:
- Organische, alternative, natürliche Dämmstoffe
- Synthetische Dämmstoffe
- Mineralische Dämmstoffe
Bei den organischen Dämmstoffen handelt es sich um natürliche Materialien wie Zellulose, Holz, Wolle und ähnlichem. All diese Materialien können brennen und werden in der Regel durch spezielle Flammschutzmittel von normal entflammbar auf schwer entflammbar modifiziert.
Dasselbe gilt für synthetische Dämmstoffe, die aus erdölbasierten Kunststoffen wie Polystyrol oder Polyurethan hergestellt werden. Auch sie werden durch Flammschutzmittel schwerentflammbar ausgeführt.
Die mineralischen Dämmstoffe sind die einzige Dämmstoffsparte, die in ihrem Brandverhalten die Klasse A1 und A2 erreichen und somit als nicht-brennbar klassifiziert werden können.
Die wichtigsten mineralischen Dämmstoffe
Mineralische Dämmstoffe gibt es für alle Einsatzgebiete in der Wärmedämmung eines Hauses. Dabei können sie verschiedene Formen und Festigkeiten haben – vom leicht zu verarbeitenden Vlies über einfach einzubringende Schüttungen bis hin zu festen Platten. Die wichtigsten Mineralischen Dämmstoffe sind:
- Mineralwolle: Mineralwolle wird entweder aus Stein oder aus Glas hergestellt. Die Unterkategorien sind dementsprechend Steinwolle und Glaswolle. In dem Herstellungsverfahren werden die eigentlich festen Materialien zu Fasern umgewandelt, die eine Menge Luft einschließen und damit einen hohen Dämmwert erzielen. Sowohl Stein- als auch Glaswolle sind feuerfest und hitzebeständig. Bei einem Brand verhindern sie das weitere Ausdehnen des Feuers. Hinzu kommt, dass es sich wie bei allen mineralischen Dämmstoffen um sehr dauerhafte Materialien handelt. Ein klassisches Einsatzgebiet für Mineralwolle ist die Zwischensparrendämmung im Dach. Hier lässt sich das Material sehr gut und dicht zwischen die Sparren klemmen. Es gibt Mineralwolle allerdings auch in stärker komprimierter Form, sodass sie sich für die Fassadendämmung eignet.
- Perlite: Perlite ist ein Vulkangestein und hat eine poröse Struktur. Die eingeschlossene Luft sorgt für den hohen Dämmwert. Perlite wird als klassische Schüttung im Dämmbereich eingesetzt. Sind beispielsweise die Zwischenräume in einer Holzbalkendecke oder der Zwischenraum in einem zweischaligen Mauerwerk mit Perlite gefüllt, lässt sich ein hoher Wärmeschutz erzielen, der alle gesetzlichen Vorgaben erfüllt.
- Blähton: Bei Blähton handelt es sich um Ton, der mit einem Expansionsmittel aufgeschäumt und dann gebrannt wird. Blähton ist vielen als Hydrokultur aus dem Blumentopf bekannt. Neben der Eigenschaft, Wasser zu speichern und kontrolliert wieder abzugeben, erzielt das Material als Schüttung in Hohlräumen allerdings ebenfalls einen hohen Dämmwert.
- Kalzium-Silikat-Platten: Die festen Kalzium-Silikat-Platten werden aus Kalziumoxid und Siliziumoxid unter Zugabe von Wasser und chemischen Zusatzstoffen hergestellt. Sie sind nicht brennbar und haben eine feine Porenstruktur. Dadurch erreichen sie neben einem hohen Dämmwert die zusätzliche Eigenschaft, diffusionsoffen zu sein. Und das wiederum prädestiniert sie als Dämmstoff für die bauphysikalisch anspruchsvolle Innendämmung. Die Platten können daher sehr gut den Wärmeschutz von Gebäuden verbessern, deren Fassade nicht verändert werden darf.
- Schaumglas: Schaumglas ist, wie der Name es schon verrät, Glas, das aufgeschmolzen und während des Herstellungsprozesses aufgeschäumt wird. Der feste Dämmstoff ist dadurch resistent gegenüber Feuchtigkeit und stellt eine Alternative zum synthetisch hergestellten XPS für die Perimeterdämmung dar. Wie XPS kann Schaumglas dauerhaft mit dem Erdreich in Kontakt stehen, ohne seine Dämmwirkung zu verlieren. Die Dämmung unter der lastabtragenden Gründungsplatte, unter dem Kellerboden und an der Außenseite der Kellerwände sind die Haupteinsatzgebiete.
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Einsatz ist eine Kostenfrage
Wenn die verschiedenen Dämmmaterialien gleich gute Dämmwerte erzielen, das eine allerdings brennbar ist und das andere nicht, stellt sich die Frage: Wieso nutzt man nicht ausschließlich das nicht-brennbare Material? Der Grund liegt vor allem im Preis: Die mineralischen Dämmstoffe sind teurer als die synthetischen, wodurch die ohnehin schon kostenintensive Dämmmaßnahme noch einmal einen finanziellen Mehraufwand verlangt.
Bei natürlichen Dämmmaterialien zieht dieses Argument nicht. Denn diese sind in der Regel noch einmal teurer als die mineralischen Dämmstoffe. Bei ihrem Einsatz spielen dann Aspekte des nachhaltigen und ökologischen Bauens mit in die Entscheidung hinein.
Letztlich handelt es sich bei allen drei Dämmstoffarten um zugelassene und normgerecht klassifizierte Baustoffe. Die Entscheidung hängt somit von den Vorlieben des jeweiligen Bauherrn ab. Wenn für ihn der Brandschutz bei der Auswahl im Vordergrund steht und er es sich finanziell leisten kann, führt für ihn an den mineralischen Dämmstoffen kein Weg vorbei.
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