Sie bewohnen ein Fertighaus, das in den 1960er bis 1980er Jahren gebaut wurde oder überlegen den Kauf eines solchen Hauses? Dann kann es sein, dass dort eine erhöhte Schadstoffbelastung vorliegt. Grund dafür ist die für Fertighäuser typische Bauweise, bzw. die in dieser Zeit verwendeten Werkstoffen, die häufig pestizidbelastet waren und noch heute verschiedene Schadstoffe ausdünsten. Vor dem Kauf oder auch dann, wenn Sie bereits in einem solchen Haus wohnen, ist es sinnvoll, das Gebäude auf eventuelle Belastungen zu prüfen. Ein Hinweis auf Emissionen kann ein muffiger Geruch sein, der in vielen älteren Fertighäusern zu bemerken ist.
Schadstoffbelastung durch Fertighausbauweise
Fertighäuser bestehen aus einem Holzständerwerk als tragendes Element, die raumabschließenden Wände und Decken bilden Platten aus verschiedenen Materialien sowie eine zwischen der Beplankung liegende Dämmung. Bei älteren Modellen wurden häufig Spanplatten, bzw. Gipsbauplatten verwendet. Formaldehyd– und VOC-haltige Klebstoffe sowie Holzschutzmittel mit dem heute verbotenen Pestiziden PCP oder Lindan sind die häufigsten Verursacher gesundheitsschädlicher Emissionen. Zum Teil wurden auch Asbestplatten verbaut, die heute als krebserregend eingestuft sind und bereits seit den frühen 1980er Jahren nicht mehr erlaubt sind.
Formaldehyd in Spanplatten
Spanplatten sind als preisgünstiger und leicht zu bearbeitender Holzwerkstoff gerade in älteren Fertighäusern in großen Mengen verbaut: Als Wandbeplankung, in Fußböden, im Dachbereich und als Einbauten. Emissionen verursacht der verwendete Formaldehydkleber, der über Jahrzehnte in die Raumluft ausdünstet.
Die ARGUK Umweltlabor GmbH hat bei einer Messung in mehr als 200 Fertighäusern, bei 40 % der Gebäuden eine Überschreitung der zulässigen Grenzwerte für Formaldehyd in der Raumluft festgestellt und zwar vor allem in Fertighäusern, die zwischen 1960 und 1980 errichtet wurden. Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Studie des Instituts für angewandte Umweltforschung e. V. (IfAU). Wie hoch der Anteil an Formaldehyd in der Raumluft ist, hängt in erster Linie von der Menge der verbauten formaldehydhaltigen Werkstoffe im Innenbereich ab. Ebenfalls eine Rolle spielt die Qualität der Raumluft: Je höher Luftfeuchtigkeit und Raumtemperatur sind, umso höher ist auch die Formaldehydkonzentration in der Luft.
Schadstoff Formaldehyd und seine Auswirkungen
Formaldehyd ist ein Kunstharz, das als Bindemittel den Spanplatten beigefügt ist, meist wird dort Formaldehyd-Harnstoff-Harz eingesetzt. Durch Feuchtigkeit – wie zum Beispiel in der Raumluft – wird das Formaldehyd abgespalten und dünstet in die Raumluft aus und das so lange sich der Baustoff im Raum befindet. Als Reizgas wirkt es auf Augen und Atemwege, kann zu Kopfschmerzen und Unwohlsein führen. Bei zunehmender Konzentration verstärken sich auch die Beschwerden, über lange Jahre kann die Lungenfunktion beeinträchtigt werden.
Formaldehyd-Konzentration reduzieren
Der nachhaltigste Weg, um die Formaldehyd-Ausdünstungen zu reduzieren, bzw. zu beseitigen, ist der Ausbau der kontaminierten Baustoffe. Dies ist im Fertighaus allerdings nur schwer möglich. Um die Belastung zu verringern, ist regelmäßiges und intensives Lüften unverzichtbar, weiterhin sollten Sie folgende Punkte beachten:
- Beim Kauf von neuen Möbeln oder Bodenbelägen sollte auf formaldehydfreie Produkte geachtet werden, um die Konzentration nicht weiter zu erhöhen.
- Eine Abdichtung emissionsintensive Bereiche wie Kanten, Bohrlöcher oder Ausfräsungen kann die Schadstoffkonzentration verringern.
- Schafwolle ist in der Lage, Formaldehyd zu binden. Je nach baulichen Gegebenheiten kann der Einbau von unbehandelten Schafwollvliesen, Erfolg bringen. Dazu sollte jedoch ein Sachverständiger eine genaue Ist-Analyse erstellen und sinnvolle Sanierungsmaßnahmen empfehlen und planen.
- Laut Versuchen der NASA aus den 1980er Jahren sind einige Zimmerpflanzen wie die Grünlilie in der Lage, Formaldehyd zu binden. Allerdings ist deren Aufnahmekapazität begrenzt, eine effektive Wirkung ist nicht zu erwarten.
PCP – Holzschutzmittel mit Folgen
Pentachlorphenol (PCP) ist eine aromatische Kohlenwasserstoff-Verbindung und wurde bis zu seinem Verbot im Jahr 1989 als Holzschutzmittel für die tragenden Holzbauteile im Fertighaus eingesetzt. Im Innenbereich war PCP bereits ab 1978 nicht mehr zugelassen. Der mittlerweile als erbgutschädigend und krebserregend eingestufte Stoff steckt außerdem in Dachstühlen und Treppen oder auch an Holzverkleidungen von Wand und Decke.
PCP-Sanierung
Da PCP meist in der gesamten Fertighauskonstruktion zu finden ist und außerdem auch angrenzende Bereiche kontaminiert, ist eine Sanierung extrem schwierig. Das Isolieren der ausdünstenden Elemente wird von Experten als wenig erfolgversprechend eingeschätzt, das einzige, was Bewohner tun können, um die Emissionen zu reduzieren ist häufiges Lüften.
Am Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) wird derzeit intensiv an einer neuen Methode geforscht, um die Schadstoffe rückstandsfrei zu binden. Marktreif ist diese Technologie allerdings noch lange nicht.
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Asbest – möglich bis 1993
Der früher so beliebte Plattenwerkstoff Asbest ist längst aus der Liste der Baustoffe verbannt, da die Asbeststäube als hochkrebserregend und lungenschädigend eingestuft ist. Bis 1993 wurde das Material in Form von zementgebundenen Asbestplatten als Putzträger und für Fassadenplatten eingesetzt, auch im Dachbereich sind zum Teil asbesthaltige Platten zu finden. Die gute Nachricht: Solange diese Platten fest verbaut sind und nicht mechanisch bearbeitet werden, droht kein Risiko.
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Chloranisol: Wenn es im Fertighaus stinkt
Weniger ein gesundheitliches als ein Geruchsproblem stellt eine Belastung der Raumluft mit Chloranisol dar. Dieses Gas entsteht bei einem Abbau von PCP oder TeCP (Tetrachlorphenol) durch Mikroorganismen. Die Substanz verursacht den muffig-modrigen Geruch, der gerade für ältere Fertighäuser so typisch ist und der sich nicht nur im Haus selbst zeigt, sondern auch an Kleidungsstücken und Haaren haftet.
Altes Fertighaus sanieren – Ist das sinnvoll und bezahlbar?
Durch die Vielzahl an möglichen Emissionsquellen und die vielen Einzelbauteile in Fertighäusern ist eine Sanierung, um Schadstoff- und Geruchsbelastungen zu eliminieren möglich, aber extrem aufwändig. Im ersten Schritt müssen die Ursachen durch entsprechende Messungen ermittelt werden, anschließend erfolgt ein Rückbau der kontaminierten Bereiche. Im Falle der Außenwände könnte dieser folgendermaßen aussehen:
- Entfernen der inneren Beplankung
- Ausbau belasteter Dämmschichten
- Rückbau der äußeren Beplankung
- Behandlung der Konstruktionshölzer mit Schutzanstrichen
- Neuer Wandaufbau
Während dieser Arbeiten ist das Haus nicht bewohnbar, neben den reinen Sanierungskosten kommen also noch die Kosten für einen Umzug und Mietkosten hinzu. Es gilt also, wohl zu erwägen, ob eine Sanierung wirtschaftlich und bezahlbar ist.
Erst messen, dann kaufen!
Wenn Sie ein älteres Fertighaus kaufen möchten, ist es aufgrund der möglichen vorliegenden Belastung fast unverzichtbar, das Gebäude auf vorhandene Emissionen prüfen zu lassen. Baubiologen und Bausachverständige verfügen über effektive Messmethoden, die aussagekräftige Ergebnisse liefern. Ein erster Hinweis auf eine Schadstoffbelastung kann der typische Fertighausgeruch sein, der von muffig-modrig bis stechend reicht.
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