Räume sollten nicht nur funktional und optisch ansprechend gestaltet sein, sondern auch das Wohlbefinden der Menschen, die in ihnen leben, fördern. Die Lage, die Grundstruktur und die Inneneinrichtung können auf das Zusammenleben von Menschen sowie die Erholung und Konzentration einwirken.
Dieser Ansatz ist bereits seit den frühen 80er-Jahren in einer Studie von Architekturprofessor Roger Ulrich bekannt. Dieser fand heraus, dass die Räumlichkeiten in Kliniken, die Genesung der Patienten beeinflussen. Heute beschäftigen sich die Wohn- und Architekturpsychologie mit diesen Themen. Da Menschen oft nicht bewusst erklären können, warum sie sich in manchen Räumen wohl fühlen und in anderen nicht, gibt es neurowissenschaftliche und umweltpsychologische Forschungen dazu. Die Erkenntnisse liefern den Planern viele Informationen, aber auch für uns Bewohner liefern sie viel Wissen, das wir beim Bauen oder Einrichtungen unserer eigenen vier Wände anwenden können.
In diesem Artikel erfahren Sie die wichtigsten Aspekte, die ihren Wohnbereich zu ihrem Wohlfühlort machen. Nach dem Lesen sehen Sie ihren Wohnbereich mit anderen Augen und achten bei der Planung, Auswahl und Einrichtung sicher auf neue Details.
Die Nutzung der Räume ist entscheidend
Sich wohl und sicher zu fühlen heißt, sich die Räume, in denen man lebt, zu gestalten wie man es braucht. Die Gestaltung eines Raumes wird hauptsächlich von seiner Nutzung geprägt. Hier sollten die Bedürfnisse aller Bewohner einbezogen werden. Es lohnt sich auch, eine gedankliche Exkursion in die Zukunft zu machen. Wie könnte ein Leben in fünf oder zehn Jahren aussehen?
Die grundsätzliche Frage lautet also: Wer nutzt welchen Raum für was? Das scheint eine banale Frage zu sein. Wie die Nutzung der Räume allerdings tatsächlich in der Praxis aussehen, darüber machen sich viele im Vorfeld keine Gedanken. Dazu gehört zum Beispiel die Überlegung, wer die Küche meistens benutzt, ob ein geselliger Sitzbereich vorhanden sein sollte oder ob die Person sowieso gerne allein kocht. Kinder wollen in Kleinkindalter überall dabei sein. Später chillen sie dann lieber in ihrem Zimmer und kommen nur zum Essen in den Gemeinschaftsbereich.
Damit sich ein Wohnbereich den Lebensveränderungen anpassen kann, sollte er möglichst flexibel gestaltet sein. Beispielsweise sind ähnlich große Räume vorteilhaft, wenn die Nutzung sich verändert. So kann ein Schlafzimmer zu einem Kinderzimmer oder einem Büro werden und umgekehrt. Auch im Hinblick auf das Altern sind solche Voraussetzungen vorteilhaft, um möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben zu können.
Für Menschen, die beispielsweise noch nie in einem Haus gelebt haben, ist es oft schwer, sich den Alltag dort vorzustellen. Tatsächlich sind die Abläufe in einer Wohnung anders als in einem Haus. Auch das Verhalten in Wohnbereich auf einer Ebene ist ein anderes als auf zwei oder mehr Etagen.
Geselliges Miteinander und Rückzug
Besonders wichtig ist es, in einer Wohnung oder einem Haus Zonen der Begegnung und Bereiche des Rückzugs zu schaffen und diese klar voneinander zu trennen. Eine Sofaecke, an der die Hauptverbindung zur Gästetoilette vorbeiläuft oder die bereits vom Eingangsbereich einsehbar ist, bietet keinen Schutz und wird somit auch nicht als Ruheoase empfunden.
Wenn sich die Familie am Esstisch trifft und lebhaft plaudert und einer in Ruhe lesen will, dazu allerdings keinen Ort findet, ist der Konflikt vorprogrammiert. Sitzplätze sollten also einladend und offen gestaltet sein, damit sich dort alle treffen können und gerne verweilen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass jeder Einzelne sich zurückziehen kann und wenigsten einen geschützten Bereich für sich hat. Ist dies der Fall, fördert die Raumgestaltung ein harmonisches Zusammenleben.
Jeder kennt die Situation im Lokal, wenn es um die Platzwahl geht. Mit dem Rücken zum Eingang oder frei im Raum will niemand sitzen. Das liegt daran, dass wir instinktiv nach hinten gesichert sein wollen. Dort haben wir keinen Einblick und das verunsichert uns. Diese Muster sind in uns angelegt und laufen unbewusst ab. Für unseren eigenen Wohnbereich gilt das ebenso. Sitzplätze, die beispielsweise offen zum Eingang liegen, führen zu Unbehagen und werden häufig gemieden. Werden sie von hinten und oben geschützt, entsteht ein Gefühl von Geborgenheit. Forschungen aus den Humanwissenschaften zeigen, dass solche Gegebenheiten Auswirkungen auf die Bewohner haben und sogar die Herzfrequenz und den Blutdruck beeinflussen.
Angenehme Atmosphäre braucht optische Reize
Unser Gehirn braucht etwas zum Sehen! Klinisch reine weiße Räume machen uns depressiv. Ein bunt zusammengewürfelter Raum voller Muster und Farben überfordert uns ebenfalls. Hier gilt es eine Balance zu finden. Was als angenehm empfunden wird, ist individuell. Leben mehrere Bewohner in den Räumen sollte eine gute Mischung für alle gefunden werden.
Die am Anfang erwähnte Studie von Roger Ulrich zeigte besonders die Wirkung von Ausblicken auf. Aktuelle Untersuchungen bestätigen die Verbindung Mensch und Natur als wichtiges Gestaltungsmerkmal. Wir brauchen den Ausblick in die Natur sowie Naturbezüge in der Gestaltung. Das Gehirn sucht nach Mustern und Formen sowie Ausblicken.
Fenster sollten also möglichst so ausgerichtet sein, dass sie schöne Ausblicke ermöglichen. Dabei ist zu beachten, dass der Schutz der Intimsphäre gewahrt bleibt. Bodentiefe Fenster an einem Rückzugsort können dazu führen, dass die Bewohner sich dort nicht sicher und wohl fühlen. Hoch gelegene Fensterbänder bieten dagegen wenig bis keine Ausblicke. Sie bringen in Gästetoiletten oder Flurbereichen Helligkeit und Schutz vor Einsicht. In Wohnräumen führen sie aufgrund fehlender Ausblicke langfristig meist dazu, dass sich die Bewohner nicht gerne in ihnen aufhalten.
Können keine Ausblicke geschaffen werden, helfen Bilder, Pflanzen und rauminternen Blickbeziehung, um die Wohnqualität zu verbessern.
Natürliches Tageslicht unterstützt den Biorhythmus
Der Mensch ist auf das über den Tag wechselnde Licht eingestellt. Das Morgenlicht ist ein kaltes Licht mit einem hohen Blauanteil. Das ist für den Körper das Signal und er produziert das als Stress-Hormon bekannte Cortisol. Anders als sein Ruf es vorgibt, ist Cortisol wichtig, um morgens aufzuwachen. Erst ein dauerhaft erhöhter Cortisol-Wert unter Dauerstress kann zu Gesundheitsschädigungen führen. Im Laufe des Tages wechselt das Farbspektrum im Sonnenlicht. Je später es wird, desto wärmer wird das einfallende Tageslicht. Der Körper beginnt Melatonin auszuschütten und wir entspannen uns und schlafen irgendwann ein.
Für unser Wohlbefinden und die Gesundheit ist es aufgrund dieser Mechanismen besonders wichtig, dass wir viel Tageslicht in die Innenräum lassen. Das kann über Fenster, Oberlichter, Lichtkuppeln im Dach und Lichtrohre geschehen. Damit viel Sonnenlicht über die Fenster einfallen kann und gleichzeitig ein Blendschutz vorhanden ist, gibt es spezielle innenliegende Lamellen-Rollos, die das Tageslicht weit ins Innere lenken. Die Lamellen können waagrecht gestellt werden, sodass ein Blick nach draußen möglich ist.
Materialien, Farben und Formen
In Kombination mit Tageslicht kommen die Farben, Materialien und Formen in der Innengestaltung zur Geltung. Farben schaffen eine Atmosphäre und beeinflussen unser Empfinden. Es gibt beruhigende Farbe wie Blau und Grün sowie belebende Farben wie Rot. Mit der Farbintensität kann die Farbwirkung verändert werden. Ein helles Blau beispielsweise wirkt anders als ein tiefes Dunkelblau. Mit Farben können Stimmungen unterstützt und Bereiche im Raum hervorgehoben werden.
Die Oberflächen der jeweiligen Materialien beeinflussen die Farbwirkung zusätzlich. Bei einfallendem Licht erzeugen die Struktur Licht- und Schattenspiele. Dadurch wirken die Farben immer wieder anders und es entsteht eine lebendige Gestaltung. Mit natürlichen Oberflächen können Sie sich ein Stück Natur in die Innenräume holen.
Geschwungene Formen schaffen Verbindung zwischen Räumen oder Bereichen. Eckige und kantige Linien erzeugen ein Gefühl von Ordnung, sie können allerdings auch als unangenehm empfunden werden, wenn beispielsweise eine Spitze direkt auf den Betrachter zuläuft.
Verschiedene Materialstrukturen, Farben sowie Licht und Schatten erzeugen wiederum optische Reize und schaffen eine ansprechende Atmosphäre.
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