Schutzmaßnahmen gegen elektrostatische Ladungen

Teilen:

Eine elektrostatische Aufladung kann man nicht sehen, aber erahnen. Nämlich dann, wenn langhaarigen Personen die Haare zu Berge stehen oder ein Knistern hören, wenn ein Synthetik-Pullover über den Kopf gezogen wird. Eine elektrostatische Entladung dürfte hingegen schon jeder einmal erlebt haben, wenn er bei der Berührung eines Tür- oder Fenstergriffs, eines Pkw, eines Metall-Geländers oder auch einer anderen Person einen kleinen elektrischen Schlag bekommen hat und zusammengezuckt ist. Gesundheitsgefährlich sind diese Entladungen normalerweise nicht. Eine Gefährdung für Menschen, abgesehen vom Schreck oder einem leichten Schmerz, besteht nämlich nicht.

Junge mit elektrisch aufgeladenen Haar © Tomsickova, stock.adobe.com
Elektrostatische Ladung lässt einem die Haare zu Berge stehen © Tomsickova, stock.adobe.com

Elektrostatische Auf- und Entladung

Elektrostatische Aufladungen und Entladungen sind Teil der Elektrostatik, die sich mit ruhenden elektrischen Ladungen, Ladungsverteilungen und den elektrischen Feldern geladener Körper befasst. Die eben beschriebenen Phänomene rühren von den Kräften her, die elektrische Ladungen untereinander ausüben.

Elektrostatische Aufladungen treten nahezu überall in unserem Alltag auf und sind kaum vermeidbar. Trockene Luft, Teppichboden oder die „falsche“ Sohle unter den Schuhen können die Ursache sein. Wenn Textilien, Kunststoffe oder Gummi aneinander reiben, baut diese Reibung elektrische Ladung auf, die wegen der isolierenden Eigenschaften der Kunststoffe nicht abgeleitet werden kann.

Wahrgenommen wird die elektrostatische Aufladung erst dann, wenn man etwa einen „geerdeten“ metallischen Gegenstand berührt und einen elektrischen Schlag spürt. Diese elektrostatische Entladung (auch als ESD für „Electrostatic Discharge“ bezeichnet) ist erst ab einer Stärke von etwa 2.000 Volt für den Menschen spürbar. Viele elektrostatische Entladungen liegen in der Regel unter der Wahrnehmbarkeitsschwelle des Menschen.

Ob und wie stark die elektrostatische Entladung bemerkbar ist, hängt von der Spannung ab, die durch die Reibungselektrizität aufgebaut wird:

  • ab 2.000 Volt ist die Entladung für den Menschen wahrnehmbar;
  • ab 5.000 Volt wird die Entladung beispielsweise durch Knistern ist hörbar;
  • ab 10.000 Volt wird die Entladung in Form eines Funkens oder Blitzes sichtbar.
Elektrostatische Aufladung und Entladung
Elektrostatische Aufladung und Entladung

„Harmlose“ elektrostatische Phänomene können gefährlich werden

Die vermeintlich „harmlosen“ elektrostatischen Effekte können durchaus gefährlich werden. Durch elektrostatische Ladungen können empfindliche Bauteile, wie beispielsweise sensible elektronische Bauelemente, beschädigt oder sogar zerstört werden. Elektrostatische Entladungen können unter geeigneten Bedingungen eine Explosion oder einen Brand auslösen. Denn die dabei freiwerdende elektrische Energie kann in einer entsprechend explosiven Umgebung als Zündfunke völlig ausreichend.

Der wichtigste Faktor zur Eindämmung von elektrostatischer Aufladung ist die Luftfeuchtigkeit. Je trockener die Luft, desto stärker ist die Aufladung. Bei extrem trockener Luft von 10 bis 20% Luftfeuchte kann das Öffnen eines Plastikbeutels Ladungen von bis zu 20.000 Volt erzeugen. Bei feuchtschwülem Klima mit einer Luftfeuchte von 65 bis 90% werden hingegen nur noch (nicht spürbare) 1.200 Volt erzeugt.

Normalerweise reicht eine Luftfeuchtigkeit von 45 bis 50% aus, um die Gefahr statischer Aufladung zu minimieren. Dieser Wert muss allerdings regelmäßig gemessen und gegebenenfalls mit Raumluftbefeuchtern angepasst werden.

Für den professionelle Homeofficeplatz können folgende Schutzmaßnahmen meist problemlos umgesetzt werden:

  • Schreibtischstuhl auf Teppichboden: Antistatik-Matten unter den Schreibtischstuhl am Arbeitsplatz legen.
  • Die Oberfläche des Arbeitstischs sollte aus leitendem Material bestehen. Auf eine Kunststoff-Auflage für den Schreibtisch sollte verzichten werden.
  • Sollte sich der Bodenbelag als „elektrostatischer Übertäter“ erweisen, kann möglicherweise ein Antistatik-Spray helfen, bevor man den Boden auswechselt.
  • Kleidungsstücke aus Baumwolle laden sich deutlich weniger auf, als Seide, Wolle und Kunstfasern. Bei den Schuhen sind Kunststoffsohlen in Verbindung mit Teppichböden oft eine fatale Mischung. Ledersohlen oder Schuhe mit Spezialsohlen sind besser.
Mögliche Schutzmaßnahmen gegen elektrostatische Aufladung im Homeoffice
Mögliche Schutzmaßnahmen gegen elektrostatische Aufladung im Homeoffice

Elektrostatisch empfindliche Bauelemente

Zur Gruppe von ESD-empfindlichen Bauelementen gehören nahezu alle elektrischen, elektronischen und optoelektronischen Bauelemente. Weiterhin fallen unter diese Kategorie ebenfalls noch zahlreiche elektromechanische Bauelemente. All solche Bauelemente können durch elektrostatische Entladungen in ihrer Funktion beeinträchtigt oder zerstört werden. Die an sich geringe Energie einer elektrostatischen Ladung verhält sich in einen Halbleiter wie die Energie eines Blitzschlags in einen Baum.

Insbesondere bei integrierten Schaltkreisen auf Halbleiterbasis ist eine elektrostatische Entladung eine der häufigsten Ausfallursachen. Besonders empfindlich sind Schaltungen aus der Hochfrequenztechnik, Diodenlaser, sowie Feldeffekttransistoren und Leuchtdioden, die oft nur Sperrspannungen von 5 bis 30 Volt vertragen. Da man Entladungen erst ab 2.000 Volt spüren kann, müssen deshalb Maßnahmen getroffen werden, die Aufladungen zuverlässig zu verhindern.

Zur Prüfung der ESD-Empfindlichkeit werden Geräte oder Systeme mit normierten Entladungen beaufschlagt und auf Fehlfunktion oder Ausfall geprüft. Die ESD-Festigkeit ist eine wichtige Größe in der Elektronikproduktion, Industrieelektronik, Computertechnik, Telekommunikationstechnik und Automobilelektronik.

Zur Vermeidung von ESD-Schäden müssen alle ESD-kritischen Bauelemente und Baugruppen in ESD-geschützter Umgebung (Electrostatic Protected Area, EPA) gehandhabt, verpackt und gelagert werden. Solche ESD-Arbeitsplätze und ESD-geschützte Bereiche in der Halbleiterfertigung leiten bestehende elektrostatische Ladungen kontrolliert gegen die Erde ab und verhindern die meist durch Reibungselektrizität entstehenden Aufladungen.

Elektriker im Badezimmer © RioPatuca Images, stock.adobe.com
Die 10 größten Irrtümer bei der Elektroinstallation

Die 10 größten Irrtümer bei der Elektroinstallation Nicht ohne Grund, zählt die Installation von elektrischen Anlagen, zu den meisterpflichtigen Gewerken… weiterlesen

EPA – Electrostatic Protected Area

Maßnahmen in der Elektronik gegen statische Entladungen und elektrische Felder sind in der DIN EN 61340-5-1 beschrieben. Entsprechend dem Stand der Technik soll die Spannungshöhe der elektrostatischen Aufladung innerhalb einer Electrostatic Protected Area (ESD-Schutzzonen) den Grenzwert von 100 Volt sowie elektrische Feldstärken von 10 Kilovolt pro Meter nicht überschritten werden. Um dies dauerhaft zu gewährleisten, müssen verschiedene bauliche und administrative Maßnahmen getroffen werden. Im dazugehörigen Benutzerhandbuch der DIN EN 61340-5-1 sind konkrete Ausführungshinweise enthalten.

ESD-gerechte Fußböden

Der Fußboden in einer ESD-Schutzzone muss eine ausreichende Leitfähigkeit gegenüber dem vorhandenen Potentialausgleich haben. In der Praxis haben sich hier Fußböden mit einem Ableitwiderstand von 1 Megaohm bewährt. Es dürfen aber Böden bis zu einem Widerstand von 1 Gigaohm verwendet werden, wenn durch einen „Walking-Test“ nachgewiesen werden kann, dass die maximale Aufladung der Mitarbeiter nicht größer als 100 Volt ist.

ESD-gerechte Sicherheitsschuhe

Zur Ableitung der elektrostatischen Aufladung sind ableitfähige Schuhe zu tragen. Das sind spezielle Schuhe mit zur Sohle hin umgeschlagenen leitfähigen Bändern. Der Gesamtwiderstand des „Systems Mensch“ zum Erdpotential soll dabei den Widerstandswert von 35 Megaohm nicht überschreiten.

ESD-gerechte Schutzhandschuhe

Die Schutzhandschuhe sollen den Spitzenstrom einer möglicherweise auftretenden Entladung aus der Haut in ein empfindliches Bauteil begrenzen. Die EN 16350 (Schutzhandschuhe gegen elektrostatische Risiken) gibt einen maximalen Widerstandswert von 108 Ohm vor. Als Mindestisolationsschutz wird 105 Ohm vorgegeben. ESD-gerechte, ableitfähige Handschuhe sollten somit einen Durchgangswiderstand von 105 bis 108 Ohm aufweisen und auf die Norm EN 16350 und die Prüfmethode EN 1149-1 verweisen.

ESD Schutzzone © Mongkol, stock.adobe.com
Aufladung innerhalb einer Electrostatic Protected Area (ESD-Schutzzonen) müssen zur Vermeidung von elektrostatischen Entladungen Grenzwerte eingehalten werden. Um dies dauerhaft zu gewährleisten, müssen verschiedene bauliche und administrative Maßnahmen getroffen werden. Im dazugehörigen Benutzerhandbuch der DIN EN 61340-5-1 sind konkrete Ausführungshinweise enthalten © Mongkol, stock.adobe.com

ESD-Schutzkleidung

ESD-gerechte Kleidungsstücke haben zwei Aufgaben zu erfüllen. Sie sind nicht oder nur schwach aufladbar und leiten elektrische Ladungen ab. Bisher wurde die Schutzkleidung meist aus reiner Baumwolle hergestellt, inzwischen setzen sich Kleidungsstücke aus einem speziellen Stoffgewebe mit leitfähigen Fasern immer mehr durch.

ESD-gerechte Arbeitsoberflächen

Arbeitsoberflächen, wie beispielsweise von Tischen oder Regalen, dürfen nach DIN EN 61340-5-1 den Ableitwiderstand von 1 Gigaohm nicht überschreiten.

Erdungsarmband – Personenerdung

Der Potentialausgleich für Handarbeit mit ESD-gefährdeten Bauteilen kann vollständig durch ein Erdungsarmband und eine ESD-Schutzmatte auf dem Tisch erreicht werden, wenn beides geerdet ist. Um eine direkte Entladung aus Sicherheitsgründen zu vermeiden, wird das Erdungsarmband über einen Widerstand von 1 Megaohm geführt.

Werkzeuge und Geräte

Alle Werkzeuge, die mit elektrostatisch gefährdeten Bauteilen in Berührung kommen, müssen leitfähig sein. Gewöhnliche Kunststoffgriffe von Werkzeugen können elektrostatische Potentialunterschiede verursachen, die zur Schädigung von empfindlichen Bauteilen führen können. ESD-Werkzeuge haben anstelle von hochisolierenden Kunststoffmaterialien für die Griffe elektrostatisch leitfähige Materialien. Durch die Leitfähigkeit kommt es zum Potentialausgleich zwischen dem Menschen und dem Werkzeug. Solche Werkzeuge sind nicht somit nicht schutzisolierend.

Maßnahmen gegen statische Entladung und elektrische Felder nach DIN EN
Maßnahmen gegen statische Entladung und elektrische Felder nach DIN EN
bis zu 30% sparen

Elektriker finden
Günstige Angebote

  • Bundesweites Netzwerk
  • Qualifizierte Anbieter
  • Unverbindlich
  • Kostenlos

EPA im industriellen Umfeld

Elektrostatische Auf- und Entladungen kann die Herstellung und Verarbeitung von Kunststoff, Papier, Textilien und Glas sowie das Umfüllen von Schüttgut, Pulver und Flüssigkeiten behindern. Einerseits birgt das Fördern, Bunkern, Betanken, Umwickeln, Beschichten oder Entrollen der Materialien Risiken von Brand- und Explosionsgefahr oder Stromschlägen, andererseits haften aufgrund der elektrischen Aufladung an Folien und Platten gern Staubteilchen, Fussel oder Haare. Deshalb werden Ionisatoren und Erdungsanlagen eingesetzt.

Explosion in einer Fabrik, Feuer löschen © Mulderphoto, stock.adobe.com
Die vermeintlich „harmlosen“ elektrostatischen Effekte können durchaus gefährlich werden. Elektrostatische Entladungen können unter geeigneten Bedingungen eine Explosion oder einen Brand auslösen. Denn die bei einer elektrostatischen Entladung freiwerdende elektrische Energie kann in einer entsprechend explosiven Umgebung als Zündfunke völlig ausreichend © Mulderphoto, stock.adobe.com

Im industriellen Umfeld kommt es zu elektrostatischen Aufladungen, wenn feste und/oder flüssige Stoffe voneinander getrennt werden und einer der beteiligten Stoffe elektrisch aufladbar ist. Das ist häufig bei der Herstellung und der Verarbeitung von nichtleitenden Werkstoffen wie Papier, Textilien, Glas, Kunststoffen oder auch Chemikalien der Fall.

Beispiele für elektrostatische Aufladungen in gewerblichen und industriellen Prozessen sind:

  • das Entleeren von Kunststoffsäcken;
  • das Abwickeln von Kunststoffen, Papierbahnen oder Gewebebahnen über Rollen oder Walzen, wie bei Druckprozessen;
  • das Abziehen von Schrumpffolien von Packmitteln;
  • Reibe-, Siebe- oder Mischvorgänge von festen Stoffen und Stäuben;
  • Vorgänge mit laufenden Antriebsriemen (Keilriemen oder Zahnriemen isolierend und Riemenscheibe aus Metall);
  • die pneumatische Förderung von Schüttgut (Granulate, Grieß, Flocken);
  • das Strömen und Fließen von Flüssigkeiten, wie zum Beispiel Abfüllen von Kraftstoffen oder Heizöl;
  • das Zerstäuben von Flüssigkeiten, wie zum Beispiel beim Spritzen von Beschichtungsstoffen;
  • das Zerreißen von Werkstoffen.
Beispiele für elektrostatische Aufladungen
Beispiele für elektrostatische Aufladungen

Bei strömenden Flüssigkeiten sind insbesondere solche mit niedriger Leitfähigkeit und bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten gefährlich, weil dann große Ladungsmengen pro Zeiteinheit erzeugt werden. Auch bei der pneumatischen Förderung von Schüttgütern können sich hohe Ladungsmengen ansammeln. Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 727 beschreibt die Methoden der Analyse von Gefährdungen durch elektrostatische Aufladungen. Die Technische Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) 2153 „Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen“ zeigt die zu treffenden Gegenmaßnahmen auf.

Zu den Schutzmaßnahmen zur Vermeidung elektrostatischer Elektrizität zählen alle Methoden, die das Entstehen elektrostatischer Ladungen im Zusammenhang mit zündfähigen Gemischen vermeiden:

  • bei Transportvorgängen alle leitfähigen Teile erden;
  • Prozesse wie Rühren und Umpumpen nur in leitfähigen Behältern durchführen;
  • Metallgefäße beim Umfüllen erden;
  • große ortsfeste Behälter (Tanks) müssen aus ableitfähigem Material bestehen und mit Erdkontaktversehen werden;
  • Maschinen, Geräte und Behälter abschirmen und gegen Berühren schützen;
  • Gegenstände und Einrichtungen aus elektrisch ableitfähigen Materialien einsetzen und erden;
  • die Fließgeschwindigkeit von Flüssigkeiten und Schüttgütern in Rohrsystemen und beim Abfüllen in Behälter heruntersetzen;
  • die Luftfeuchte im Raum auf mehr als 50% erhöhen, dann der Oberflächenwiderstand abnimmt;
  • lokale Ladungsansammlungen durch Ionisierung der Luft mithilfe von aktiven oder passiven Ionisatoren neutralisieren;
  • auf leitfähige Schuhsohlen achten;
  • antistatische Schutzausrüstung verwenden.

Laut TRBS 2153 ist eine Erdung im elektrostatischen Sinne gewährleistet, wenn der Ableitwiderstand unterhalb von 106 Ohm liegt. Relevant ist auch die VDI-Richtlinienreihe 2263 „Staubbrände und Staubexplosionen; Gefahren, Beurteilung, Schutzmaßnahmen“ des Vereins Deutscher Ingenieure. Sie enthält mehrere Blätter für unterschiedliche spezifische Gefährdungen und Maßnahmen.

Für die Elektrofachkräfte, die in explosionsgefährdeten Bereichen arbeiten, bedeutet dies der Umgang mit besonderen Arbeitsmitteln. Zur Schutzausrüstung gehören unter anderem leitfähige Schuhe sowie antistatische Arbeitskleidung nach DIN EN 1149. Ihre Werkzeuge müssen mit antistatischen Oberflächen ausgestattet sein.

Lampe im Keller © Studio v-zwoelf, stock.adobe.com
Elektroinstallation: Schutzarten und Schutzklassen

Sicherheitsnormen bei elektrischen Betriebsmitteln: Was bedeutet Schutzart und was ist eine Schutzklasse? Elektrische Geräte und Leuchten werden zu völlig unterschiedlichen… weiterlesen

bis zu 30% sparen

Elektriker finden
Angebote vergleichen

Unverbindlich
Qualifizierte Anbieter
Kostenlos

Artikel teilen: